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Dieses Thema hat 110 Antworten
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 Feder & Papier
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Hitti Offline

Theophor


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23.09.2010 19:26
#91 RE: Kreative Texte Antworten

Hab grad einen Text geschrieben, der mit nem Thema zu tun hat, über das ich gestern viel nachdenken musste. Der kopierte Teil hat keine Überschrift und ist nicht als selbstständig zu betrachten, aber trotzdem in diesem Zusammenhang gut lesbar, ohne zu wissen, wies anfing und wies weitergeht.

[…] Und dann gibt es jene, die nicht gehorchen, die das Vergnügen scheuen und die Gesellschaft verachten, obgleich sie sich selbst doch noch mehr hassen. Ihr Leben ist eine grauenvolle Litanei der gemütsschweren Unzufriedenheit, eine freudlose Qual. Halb in dieser Welt, halb in der Unendlichkeit schöner, schmerzlicher Gedanken, da und dort leben sie zerrissen und geplagt von den schlimmsten Träumen, bringen die einsamsten Nächte zu und durchwandern die finstersten Täler, machen sich die höchste, edelste Furcht zu eigen und fühlen sich, freilich nur deswegen, dem Tode allseits nahe. Wie ein gefallener, gehörnter schwarzer Engel, so wacht er mit seiner Sense über diese tiefgründig grundlos trauernden Menschen, doch vergebens in der Hoffnung, sie würden ihm jemals Einlass in ihr verschlossenes Herz gewähren.

Geistreich und anmutig, von ästhetischer Stärke und grenzenloser Freiheit, ja von bemerkenswerter Kraft durchtränkt, so strahlt dies Menschenleben über die Einfältigkeit, wie die Sonne über jeden anderen Stern, und lockt Bewunderer und Neider, zieht mit seinem geheimen Zauber auch Feinde an. Wer glaube nicht, er lebe am Rand des bedeutenden Untergangs, und würde doch einer strahlenden Sonne gleichen? So eigen, so reizvoll und aufregend will man sich nennen, und ist’s doch nicht, soll’s und möcht’s auch nicht sein, und ist im Herzen froh darüber, nicht zu wissen, welch hässlicher, giftiger Kern unter der nur scheinbar wundervollen Schale solchen Lebens steckt, und dass die größte Kraft gleichsam die größte Schwäche ist, an der dieser leidende Mensch nur allzu bald in beachtlichem Schauspiel zugrunde gehen wird, wie auch die Sonne am Ende ihres Sternenlebens ihrem größten Feind erliegen soll, der doch immer nur sie Selbst und ihre eigene Stärke gewesen war.[…]



"Die Philosophie ist ein guter Rat. Einen guten Rat gibt niemand mit lauter Stimme."

Hitti Offline

Theophor


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02.03.2011 21:29
#92 RE: Kreative Texte Antworten

Da ich zurzeit mein Buch überarbeite und das nicht wirklich eine Tätigkeit is, bei der man aus voller Kreativität schöpft, schreibe ich zurzeit mit großem Vergnügen an Kurzgeschichten. Ich wollt mal fragen, ob Interesse daran besteht. Dann stell ich sie gern rein.


"Was ich weiß, kann jeder wissen. Mein Herz hab' ich allein."
-J.W.Goethe

stahlwollvieh Offline

Emofaggot


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02.03.2011 22:18
#93 RE: Kreative Texte Antworten

Mach ma.

Hitti Offline

Theophor


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03.03.2011 11:54
#94 RE: Kreative Texte Antworten

Okay, die hier hab ich neulich geschrieben. Die Geschichte passt weder vom Stil noch von der Thematik her ins Schema meiner sonstigen Schreibe. Weiß nicht, was mich da geritten hat.

Zitat
Die Hölle Gottes

„Was denkst du, was nach deinem Tod mit dir passieren wird?“
Paul blies die Kerze aus, zündete sich eine Zigarette an und antwortete.
„Es wird genau so, wie vor meiner Geburt. Ich werde nichts fühlen, nichts denken, nicht sein.“
Harry dachte darüber nach. Paul war in dieser Hinsicht immer ein wenig wortkarg.
„Das ist ein trauriger Gedanke, Paul.“, meinte Harry, und schüttelte den Kopf.
„Ich weiß, aber ich fürchte, er ist wahr.“

Die beiden hatten die Nachtwache. In der Ferne konnten sie das Feuern der Artillerie hören. Zu Mittag hatten die Offiziere kundgegeben, dass der Feind am nächsten Tag in Reichweite sein würde. Die Angst drückte auf das Lager, wie das Dunkel der Nacht, das nur selten von den Lichtern der Explosionen durchbrochen wurde, die sich langsam näherten. In den Zelten war es ruhig, obwohl kaum einer der Männer Schlaf fand.

„Glaubst du nicht an Gott?“, fragte Harry schließlich. Seine Stimme bebte leicht.
„Nein, ich glaub’ nicht an ihn.“, Paul schien ein wenig verärgert, doch sein Blick blieb sehr ernst. „Und dir würde ich es auch nicht raten. Sich in einem Krieg wie diesen auf das göttliche Schicksal zu verlassen, endet seltsamerweise meistens tödlich. Du hast deine Männer. Schenk denen dein Vertrauen.“
Er zog an seiner Zigarette und inhalierte den Tabakrauch tief. Ein Blick zu Harry verriet ihm, dass er das Gesicht verzogen hatte. So wandte er sich ab und sprach weiter.
„Verzeih mir bitte. Ich denke nur, dass dies hier weder der richtige Ort noch die richtige Zeit ist, um über den Tod zu philosophieren, der sich doch in den letzten Monaten unsereiner viel zu oft bemächtigt hat. Lass es gut sein, und lass uns bitte auch von anderen Dingen reden.“

Die beiden Männer saßen im Aussichtsturm des Zeltlagers, das am Waldrand aufgestellt worden war, und nahmen mit ihren Feldstechern die kaum erkennbare Silhouette der Hügel im Osten ins Visier. Den Großteil ihrer Aufmerksamkeit widmeten sie jedoch dem Himmel, denn ein Luftangriff war in dieser Nacht viel wahrscheinlicher. Einige Minuten schwiegen sie. Paul hatte das Gefühl, dass er Harry beleidigt hatte. Er kannte ihn schon lang genug, um zu wissen, dass dieser nicht die dickste Haut hatte.
„Hast du wieder einmal etwas von zuhause gehört?“, fragte er, um die Stimmung etwas aufzulockern.
„Den Kindern geht’s gut…“, meinte Harry, und lächelte nun. Ein Lächeln dieser Art war in letzter Zeit bei Harry sehr selten geworden. „…, und meine Sophie hat schon einen furchtbar großen Bauch. Sie schreibt, dass es bald Zeit wird, und sie sich nichts mehr wünscht, als dass ich daheim wäre, wenn Michael zur Welt kommt.“ Nun nahm auch sein Gesicht wieder einen ernsten Ausdruck an, und er sah erneut durch den Feldstecher und widmete sich der Ferne. „Ich habe ihr sagen müssen, dass das nicht möglich sein wird.“

Harry redete gern von der Heimat. Paul wusste, dass er seine Familie so liebte, dass es ihm nicht möglich war, den Schmerz, von ihr getrennt zu sein, in Worten auszudrücken. Seine beiden Söhne, Ted und Simon, und seine Frau Sophie, die nun ein drittes Mal von ihm schwanger war, machten ihn zum „Glücklichsten aller Männer“, was er stets betonte. Der Krieg aber, das wusste Paul, hatte an jedem Mann in der Einheit seine Spuren hinterlassen, und Harry hatte seine Frohnatur in den letzten Monaten der ständigen Anstrengung, des schmerzlichen Verlustes verloren.
Paul hatte keine Familie und lebte allein. Er konnte nichts Besonderes aufweisen, sah man von seinen beruflichen Erfolgen als Börsenmakler ab. Pessimistisch, wie er immer schon gewesen war, verlor er schon früh den Glauben daran, dass sich dies jemals noch ändern könnte. Ehrlicherweise musste er sich selbst eingestehen, dass ihm sein ziviles Leben genauso egal war, wie dieser verdammte Krieg. Ein Schmunzeln verirrte sich bei diesem Gedanken in sein verbittertes Gesicht, ein völlig freudloses, einsames, leeres Schmunzeln.

„Paul, darf ich dich noch etwas fragen?“, flüsterte Harry, zehn ereignislose Minuten später.
„Klar.“
„Hast du Angst?“
Paul überlegte kurz und schloss für einen Moment die Augen.
„Nein. Doch ich weiß, ich sollte Angst haben. Ich weiß, dass es äußerst wahrscheinlich ist, dass wir in den nächsten Stunden angegriffen werden, und es bereitet mir Unbehagen, dass dieser Gedanke mich gar nicht ängstigt. Vielleicht habe ich nur verlernt, mich zu fürchten. Vielleicht scheint der Tod mir gar schmackhaft geworden zu sein. Ich kann es dir auch nicht sagen.“
„Ich fürchte mich sehr“, meinte Harry gedankenverloren. „Ich weiß, dass wir unsere Ängste nicht zeigen, und vielmehr unerschrocken und stark auftreten sollen, weil dies die Moral der Einheit hebt. Ich gebe mein Bestes, es zu verbergen … aber im Herzen hab ich eine Scheißangst. Ich habe Angst vor Schmerzen, ich habe Angst vorm Tod, und ich denke nicht, dass es irgendwem hier anders geht, oder dass irgendeiner unserer Kameraden, mögen sie noch so tapfer sein, heute Nacht ein Auge zu macht.“ Harry drehte sich um und ließ seine Augen über den Zeltplatz schweifen, und zu den schwarzen Baumwipfeln, die sich im leichten Wind wiegten. Paul sah ihm in die Augen und erkannte Trauer darin, eine tiefe Enttäuschung.
„Weißt du,…“, sagte Harry, „…dies sind die schlimmsten Tage meines Lebens, und ich finde nichts, das mir Trost spendet. Ich sehe in eine ungewisse Zukunft, und kann nur sagen, dass ich recht hoffnungslos bin.“
Paul griff in die Seitentasche seiner grünbraunen Uniform und holte einen silbernen Flachmann raus.
„Probier es mal damit“, meinte er, und die beiden mussten lächeln.
„Ja, warum denn nicht?“, meinte Harry, und nahm einen großen Schluck. Eine wohlige Wärme breitete sich in seinem Körper aus, und er fühlte sich ein bisschen besser. Dann nahm er seinen Feldstecher und suchte wieder den Himmel ab.
„Du bist mir der beste Freund, Paul, immer schon gewesen. Vor allem aber, das lass dir gesagt sein, bist du ein besserer Mensch, als du denkst. Wenn wir wieder zuhause sind, wirst du glücklich werden. Ich versprech’ es…“

Harry sprach nicht weiter. Paul hatte es auch gesehen. Feindflieger waren zwischen den Sternen am Horizont aufgetaucht. Paul streifte Harrys Blick, der in diesem Moment ganz bleich wurde, und rannte sogleich auf die andere Seite des Turms, um die Kurbel der Sirene zu drehen. Der penetrante Ton schallte über den Zeltplatz hinweg und bereits nach wenigen Sekunden standen mehrere Soldaten vor ihren Zelten, doch die wenigsten waren kampfbereit.
„Es sind zu viele!“, schrie Harry, immer noch durch den Feldstecher blickend.
„Bleib ruhig!“, antwortete Paul, völlig außer sich. „Du musst zu den Flaks Harry, bitte bleib ruhig…“ In seiner Stimme lag etwas Flehendes. Harry begann, die Leiter des Aussichtsturms hinunter zu steigen, während Paul immer noch die Kurbel drehte, um den Zeltplatz zu beleben. Nur die wenigsten Soldaten am Boden verstanden aber, was sie zu tun hatten. Die meisten waren überrascht und von der Situation total überwältigt.

Als das erste feindliche Flugzeug über den Aussichtsturm hinweg flog, ließ Paul die Sirene verstummen. Er hörte nun das Brüllen seiner Kameraden, er hörte die Befehle der Offiziere, und er hörte, wie die erste Bombe fiel. Die Maschinengewehrfeuer und die Schmerzensschreie der anderen Männer ließen ihn kurz erstarren und er bekam ein flaues Gefühl im Magen. Stufe für Stufe bewegte er sich Richtung Erde, so schnell es ihm nur möglich war. Die letzten paar Meter sprang er, und er spürte einen stechenden Schmerz im rechten Bein, der ihn niederknien ließ. Der Weg zu den Flaks war mit Toten gepflastert, und mit den Gliedmaßen der Verwundeten. Paul nahm einen versprengten Arm, der direkt vor ihm lag, und ließ ihn wieder zu Boden fallen. Ihm war schwindlig, und er fühlte sich seltsam benommen, kaum in der Lage, wieder aufzustehen. Jemand packte ihn von hinten und half ihm auf die Beine.
„Paul, wir müssen hier weg!“. Es war Harry. Er rannte Richtung Wald, und Paul folgte ihm, so gut es ging. Nur für einen kurzen Moment verdeckte ein Zelt die Sicht. Dann sah er ihn am Boden liegen.
„HARRY“
Paul ließ sich zu Boden fallen und drehte den Körper seines Freundes um. Er sah Blut und Gehirn, schwallartig aus einem Schussloch im Helm fließend. Harry war tot.
„Nein…“
Paul musste weiterlaufen, musste Harry zurücklassen. Er stand auf, doch seine Augen füllten sich mit Tränen, und nahmen ihm die Sicht. Er wollte sich einfach fallen lassen, wollte sich erschießen, doch er rannte immer fort, immer Richtung Wald, ohne recht zu sehen, wohin seine Füße ihn trugen. Als er die Bäume erreichte, schien es um ihn leiser zu werden, doch er blieb nicht stehen und rannte weiter, bis er gegen einen Ast krachte und zu Boden fiel, wo er Blut erbrach. Er sah, dass ihn eine Kugel in den Bauch getroffen hatte.
„Gott, hilf mir“, presste er hervor. „Bitte…“

Leise noch nahm er Schreie vom Waldrand wahr, dann umfing ihn Dunkelheit.


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-J.W.Goethe

Gray Offline

Theophor


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03.03.2011 13:41
#95 RE: Kreative Texte Antworten

spielt das so etwa im 2. Weltkrieg?


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Hitti Offline

Theophor


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03.03.2011 13:59
#96 RE: Kreative Texte Antworten

Der Eindruck entsteht wohl durch gewisse Anspielungen (Flak, Wachtturm, Feldstecher, Sirene usw.), die ein gewisses "unmodernes" Bild im Kopf erzeugen. Mir geht es genau so, wenn ich es lese, und ich kann mich damit anfreunden. Im Grunde ist es aber egal, in welchem Krieg die Geschichte spielt, und auf welcher Seite die Protagonisten stehen. Ich hab mich sogar bewusst davon distanziert, genauere Details zu nennen, da ich zum Ausdruck bringen will, dass dies eine Situation ist, die sich in jedem Krieg abspielen, und jeden Soldaten betreffen kann. Ich wollte mich nicht festlegen. Weniger is bei Kurzgeschichten sehr oft mehr.


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Gray Offline

Theophor


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03.03.2011 16:15
#97 RE: Kreative Texte Antworten

Ich frag deshalb, weil Harry weiß, dass sein Kind ein Junge sein wird. Die Sonografie wurde aber erst 10 Jahre nach dem Ende des WWII gynäkologisch angewandt. Ist mir nur gerade so aufgefallen.


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stahlwollvieh Offline

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03.03.2011 16:41
#98 RE: Kreative Texte Antworten

Ja das fand ich auch ein wenig weird...
Auch in Anbetracht der Tatsache, dass er für die Sirene kurbeln muss.
Was mir noch als etwas seltsam aufgefallen ist, ist die Art und Weise, wie Harry und Paul miteinander sprechen.
Es wirkt stellenweise irgendwie ein wenig zu hochgestochen für Soldaten im Krieg meiner Meinung nach.
Was ich interessant finde, ist die Tatsache, dass gerade Paul, der ja eigentlich anfangs derjenige ist, der eher gefühlstaub ist, während Harry starke Angst empfindet, als es tatsächlich ernst zu werden beginnt von seinen Emotionen überwältigt wird...
Alles in allem finde ich die Geschichte sehr gelungen, wie gesagt die Ausdrucksweise der Soldaten wäre aber meiner Meinung nach noch etwas überarbeitungswert.

Gray Offline

Theophor


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03.03.2011 16:47
#99 RE: Kreative Texte Antworten

Zitat
Es wirkt stellenweise irgendwie ein wenig zu hochgestochen für Soldaten im Krieg meiner Meinung nach.


Das wollte ich auch schon bemängeln, habs dann aber irgendwie gelassen, weil ich nicht als mit Vorurteilen gegenüber der intellektuellen Kapazität von Soldaten behaftet gelten wollte :D


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Hitti Offline

Theophor


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03.03.2011 17:06
#100 RE: Kreative Texte Antworten

Zitat
Die Sonografie wurde aber erst 10 Jahre nach dem Ende des WWII gynäkologisch angewandt. Ist mir nur gerade so aufgefallen.


Aja, daran hab ich nicht gedacht, Danke. Ich werd mir noch überlegen, ob ich das ändere, aber es wär vermutlich besser.

Zitat
Es wirkt stellenweise irgendwie ein wenig zu hochgestochen für Soldaten im Krieg meiner Meinung nach.


Ich hab dafür offenbar überhaupt keinen Sinn, weil ich die Geschichte nach meinem Empfinden eigentlich in einem leicht lesbaren Stil und in einer einfachen Sprache geschrieben habe. Ich werd nachher eine Kurzgeschichte reinstellen, bei der das anders is, und die typisch für das Geschreibsel is, das ich zurzeit so produzier.
Naja, ich versteh schon, was ihr meint, aber das will ich ned ändern, auch, wenns vielleicht ein bisschen unrealistisch wirken mag. Indirekte Reden sind in meiner Schreibe meist nie wirklich realistisch formuliert.


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stahlwollvieh Offline

Emofaggot


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03.03.2011 21:24
#101 RE: Kreative Texte Antworten

Naja, wenn's die direkte nicht ist und die indirekte auch nicht kann's ja eigentlich nicht schlimmer werden... xD

Hitti Offline

Theophor


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04.03.2011 13:58
#102 RE: Kreative Texte Antworten

Ich mein damit in erster Linie, dass ich nicht so schreibe, wie anderen Leuten der Schnabel gewachsen is, und wenns noch so unrealistisch rüberkommt. Einer der Vorteile am Schreiben is, dass man die Zeit hat, schöne Formulierungen und Ausdrücke zu wählen und es äußerst ansprechend zu verpacken.

Hier is die Geschichte, von der ich gestern gesprochen habe. Sie is ein gutes Beispiel. Ich weiß, dass heute kein Mensch mehr so spricht, aber ich bin ein fucking Autor, ich darf schreiben, wie ich will.^^ Wenn ich an jedem Satzende ein "OITA" ranhänge, will das außerdem keiner lesen.

Zitat
Die Farben der Blätter

Ferdinand betrat die Bank durch eine hohe und schwere Türe und sah die Menschenmengen, die in Ruhe auf ihr Geld warteten, und die Bediensteten hinter den Schaltern, die emsig ihrer Beschäftigung nachgingen und dies mit einer lobenswerten Ordentlichkeit und einer bedeutenden Anständigkeit vollzogen. Zufrieden betrachtete er diese Umgebung und war recht angetan von der vernünftigen Konsequenz, mit der all diese Personen ihre Geschäfte durchführten. Ebenso ernst und kontrolliert wollte er wirken und reihte sich mit leerem Blick in die Schlange ein, freilich ganz hinten, wie sich das gehörte. Welch schönes Vergnügen es ihm doch bereitete, ein gesitteter Bürger aus gutem Hause zu sein, und dies ohne jede Schwierigkeit! So glücklich war er über sein wohlgeordnetes Leben, das frei war von jedem unerhörten Geschehen und jedweder Turbulenz, so froh, er hätte es niemanden sagen, und niemand hätte es aus seinem versteinerten Gesicht erraten können.
Nachdem er als junger Mann, ausgestattet mit einem beträchtlichen Erbe, sich in dieser Stadt niedergelassen hatte und sein Leben mit den seriösen Verpflichtungen zubrachte, denen er als Postbeamter nachzukommen hatte, wollte er sie nicht mehr verlassen. Überhaupt war ihm Fremdes und Ungewohntes zuwider. So hatte er stets auf Reisen verzichtet und war nicht unglücklich, der Ferne immer fern geblieben zu sein. Selbstredend hätte er, als der wohlhabende Mensch, der er immer schon gewesen war, nicht mit den Unannehmlichkeiten des täglichen Werkes kämpfen müssen, nicht mit dieser Last, die doch seiner Ansicht nach für Leute geringen Ansehens bestimmt war. Diese Menschen wurden, so dachte Ferdinand, gewiss nicht ohne Grund in ein derart schlechtes Leben geboren und hatten es demnach zu Recht mit der Angst zu führen, das täglich Brot werde eines Tages nicht mehr auf dem Tisch sein. Ferdinand war religiös und hatte also seinen Glauben an eine übersinnliche Gerechtigkeit nie verloren. Doch litt er auch unter der Befürchtung, man könnte ihn der Faulheit bezichtigen, würde er tatsächlich seine Beschäftigung aufgeben. Ein Mann hatte schließlich zu arbeiten. Mit Freude bemerkte er allerdings, dass er von seinen Mitmenschen umso mehr geschätzt wurde, weil er dies aus freiem Stücke tat und ihn keine Not dazu drängte. Gleichermaßen bereitete es ihm eine unsägliche Lust, dieser täglichen Routine Folge leisten zu dürfen, und auch, wenn ihn oft die Schwermut plagte und er die unfeine Überlegung dachte, in seinem Alter die Arbeit doch sicherlich niederlegen zu können, ohne gesellschaftliche Ächtung erfahren zu müssen, so war er sich im Herzen gewiss, kein anderes Leben führen zu wollen. Selbst an einem freien Tage, wie es denn der heutige einer war, unterwarf er sich unablässiger Planung und gestattete keine Zufälligkeiten. Eine Frau hatte Ferdinand nie finden können, denn der Umgang mit Menschen war ihm schon immer äußerst schwer gefallen. So liebte er die Einsamkeit und verkehrte mit anderen nur, wenn das Geschäft es erforderte. Allzu gerne unternahm er jedoch ausgedehnte Spaziergänge durch den hiesigen Park, und obgleich die Menschen ihm wenig am Herzen lagen, so begegnete er Bekannten stets mit überschwänglicher Höflichkeit, denn niemand sollte schlecht von ihm denken.

Ferdinand verließ befriedigt die Bank, hielt einer alten Dame die Tür auf, bevor er seinen Hut zog und sie mit einer kleinen Verbeugung begrüßte. Nun, da das Geschäft erledigt war, unternahm er einen seiner kleinen Spaziergänge, und ging ins Grüne, ernsten Blickes, doch schlendernd. Bereits nach wenigen Minuten war es ihm der Anstrengung genug und eilig suchte er Platz zur Rast, setzte sich also zu einem kleinen Mädchen, das auf einer schmucklosen, hübschen Holzbank verweilte und zeichnete. Nun war es Zeit für eine Zigarette, dachte Ferdinand, und zündete den Tabak sogleich an, den er sich genau fünfmal am Tage erlaubte. Während er, ohne zuviel zu genießen, den Rauch in die Luft blies, besah er die Zeichnung des kleinen Mädchens. Ein ganz und gar unschöner Baum war da zu sehen, ungerade, ja nicht mal zum Himmel wachsend, mit viel zu vielen Ästen, und die Blätter in allen möglichen Farben bemalt. Recht angewidert verzog Ferdinand das Gesicht, und, auch gegen seinen Willen, ließ er sich dennoch zu einer Äußerung hinreißen.
„Aber Kind, wieso bemalst du denn die Blätter rot, und braun, und sogar bläulich? Blätter sind doch grün, und sollen grün sein, und grün bleiben.“
Das Mädchen sah nicht auf, sondern sagte mit lauter, piepsender und schneller Stimme: „Du kennst doch gar keine Blätter.“
Ferdinand war verblüfft ob dieser verstörenden Antwort und wollte schon über diese anmaßende Respektlosigkeit schimpfen, beließ es dann aber bei einem Kopfschütteln.
„Mein liebes Mädchen, ich bin schon lang genug auf dieser Welt, um dir versichern zu können, dass es nur grüne Blätter gibt. Es ist sehr verwunderlich, welch ausschweifende, blühende Fantasie ihr Kinder doch habt.“
Und plötzlich stand das Mädchen unbeirrt auf und rannte zu einem Baum, las ein Blatt von dessen Wurzel auf, und rannte wieder zurück, ohne es anzusehen, doch um es mit einem wunderschönen Lachen und mit Stolz Ferdinand entgegenzustrecken.
„Ich schenk es dir.“
Das Blatt trug die Farben des Herbstes.


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stahlwollvieh Offline

Emofaggot


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08.03.2011 00:57
#103 RE: Kreative Texte Antworten

Da ich sie ja schon kennen und bereits kommentiert habe darf ich mir glaub ich erlauben, mich einer erneuten Beurteilung zu entziehen. :P
Nur soviel dazu:

Zitat
Hier is die Geschichte, von der ich gestern gesprochen habe. Sie is ein gutes Beispiel. Ich weiß, dass heute kein Mensch mehr so spricht, aber ich bin ein fucking Autor, ich darf schreiben, wie ich will.^^ Wenn ich an jedem Satzende ein "OITA" ranhänge, will das außerdem keiner lesen.

Ich denke dass bei letzterer Geschichte der Stil der gesprochenen Worte nicht so sehr in's Gewicht fällt weil
1.) der Protagonist ohnehin aus eher guten Hause zu sein scheint, außerdem die genaue Zeit zu der das passiert nicht definiert, wird, wodurch es sowieso nicht mehr sooo relevant ist, wie man "heutzutage" spricht, während bei der vorigen Geschichte... ach, das waren einfach fucking SOLDATEN Mann, mitten in einem Krieg, kurz vor einer Schlacht, da kannst einfach von einem anderen Umgangston ausgehen...^^ und
2.) hat die zuletzt gepostete imho irgendwie etwas leicht surrealistisches, obwohl sie sich theoretisch genau so abspielen könnte... genau das macht aber dann auch wieder einiges aus, damit kannst du dir einfach größere sprachliche Freiheiten erlauben.
Sind natürlich nur rein subjektive Gedanken, aber ich empfinde es so.

Abgesehen davon habe ich (nach über einem Jahr!) auch endlich wieder mal etwas zu präsentieren, erst vor ein paar Nächten verfasst...


Über Gitter und Motten


Eine Motte umkreist das flackernde Licht der Neonlampe. Ich folge ihr mit den Augen, fasziniert von ihrem verzweifelten Taumel, der wohl kaum jemals ein Ziel finden wird. Welch treffendes Bild für meine Existenz hinter Gittern…
Mit einem Seufzen denke ich zurück wie es war, an die Welt dort draußen. Ich war vielleicht nicht einmal glücklicher dort… doch immerhin war Bewegung in meinem Leben, während hier Tage in betäubender Gleichgültigkeit ertrinken.
Plötzlich erkenne ich, dass ich die Motte obskurerweise beinahe schon beneide: Sie kämpft für ihren Lebenszweck, ganz egal wie aussichtslos und verzweifelt die Situation scheint.
Ich hingegen habe mich eigentlich bereits aufgegeben, meines Lebens beraubt von diesen kalten, harten Eisenstäben, die mir doch so vertraut geworden sind.
Entfernter Lärm reißt mich aus meinen Gedanken: Die Aufseher, die mit ihren Schlagstöcken auf die Gittertüren schlagen, den Zapfenstreich ankündigen.
Ich blicke kurz und gleichgültig auf, als sie auch an meiner Zelle vorbeikommen, wende mich aber einen Moment später wieder der Motte zu. Immer noch umflattert sie in ihrer illusionären Freiheit die Neonröhre, nicht ahnend, dass auch dieses scheinbare Ziel bald der Vergangenheit angehören wird.
Mit einem leisen Klicken erlischt das Licht. Was wohl die Motte jetzt tun mag, ihres Zieles beraubt? Vermutlich versucht sie immer noch in aufflammender Verzweiflung ein letztes Nachglühen zu erhaschen, doch genauso schnell wie dieses würde wohl auch ihre Hoffnung erlöschen.
Ich ertappe mich selbst bei der ernsthaften Überlegung, was die Motte in weiterer Folge wohl tun könnte, um in dieser Situation nicht resigniert aufgeben zu müssen und bin einen Moment lang versucht, mich über mich selbst lustig zu machen.
Stattdessen beginnt mein Gehirn, sich anderen Beschäftigungen zuzuwenden. Ich fühle mich immer noch wach und hege keine Absicht, jetzt schon zu schlafen.
Da meine Augen praktisch ausgeschaltet wurden beginnen die anderen Sinne, um die eben frei gewordene Vorherrschaft zu wetteifern.
Ich höre entferntes Schnarchen, jemand anderer ein paar Zellen weiter scheint im Schlaf zu reden, vielleicht betet er auch. Ganz leise meine ich das Pfeifen von Wind wahrzunehmen und die Schritte und Gespräche der Wachleute irgendwo anders in diesem Gebäude.
Mein Geruchsinn bombardiert mich ebenso mit einer Unmenge von Eindrücken, allesamt ebenso vertraut wie unangenehm: Der muffige, schweißige Duft meiner Matratze, das scharfe Waschmittelaroma, das meine Häftlingskleidung von sich gibt, das erstaunlich ähnliche, welches vom WC-Reiniger stammt, sogar den metallischen Geruch meiner Gitterstäbe meine ich zu vernehmen, der gemeinsam mit der hundertfach geatmeten Luft von draußen hereinströmt.
Unter meinen Fingern fühle ich das raue Leintuch, das penibel über die viel zu dünne Matratze gespannt ist, einen Moment meine ich sogar eine angenehme Brise über mein Gesicht streichen zu spüren, bis ich begreife, dass diese wohl nur eine Ausgeburt meines Wunschdenkens ist.
Meine Augen scheinen sich langsam an die Dunkelheit zu gewöhnen, im gleichen Maße, wie ich nun doch müde zu werden beginne…
In den Schatten beginne ich langsam Umrisse wahrzunehmen, und da: Dieses Flirren in der Luft, war das nicht meine Motte?
Gar nicht allzu weit entfernt von mir scheint sie herumzuflattern, vielleicht eine Armeslänge entfernt, ihr Flug viel ruhiger als noch vor ein paar Minuten, als sie sich mit einigen Umwegen tatsächlich mir zu nähern scheint.
Mit einem gewissen Erstaunen verfolge ich, wie sie sich endlich ruhig auf meine Hand niederlässt, wo sie still sitzen bleibt.
Letztlich scheint auch sie die Sinnlosigkeit ihrer Suche eingesehen und resigniert aufgegeben zu haben, denke ich. Ich beobachte sie noch einige Sekunden, doch meine Augenlieder werden schwerer und meine Gedanken beginnen, ihre eigenen Wege zu gehen.

Hitti Offline

Theophor


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09.03.2011 13:41
#104 RE: Kreative Texte Antworten

Deine hab ich ja schon gelesen, und ich bin grad ein bisschen unter Zeitdruck, deswegen will ich nur kurz auf Punkt 1 und 2 eingehen.

Zitat
(...), außerdem die genaue Zeit zu der das passiert nicht definiert,(...)


Dasselbe gilt für die erste Geschichte. Damit is eigentlich alles, was du sagtest, beantwortet. Es gab Zeiten, zu denen eine höhere Sprache als Umgangston völlig normal war. Ich würd sogar ein Kind so reden lassen, wenns mir reinpassen würd.^^


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-J.W.Goethe

stahlwollvieh Offline

Emofaggot


Beiträge: 2.155
Punkte: 2.203

09.03.2011 14:03
#105 RE: Kreative Texte Antworten

Natürlich ist das mit der Zeit nur sehr bedingt ein valider Punkt. Dennoch hast du im Kriegstext Flugzeuge, FLAK-Geschütze und Sonographie (außer du änderst das noch^^), was den zeitlichen Rahmen und damit die Imagination des Lesers doch eher auf einen Krieg nach WWII hinweist.
Und ich glaube nicht, dass es irgendwann einmal eine Zeit gegeben hat, in der zwei gewöhnliche Soldaten immer derartig hochgestochen geredet haben.^^
Die Aussage:

Zitat
Es gab Zeiten, zu denen eine höhere Sprache als Umgangston völlig normal war.

gilt vll für die Aristokratie und höhere militärische Befehlshaber, aber wohl kaum für das gemeine Fußvolk. ;)

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