Du musst aber schon zugeben, dass es dir auch ziemlich Spaß gemacht hat, das Gedicht zu schreiben und du dich generell gerne mit dem alten Germanentum beschäftigst. Ein Werk dieser Länge für einen Haufen von halbschlauen Komikern zu schreiben, würde sich jemand, den die betreffende Materie nicht interessiert nie antun.
"Jeden Abend starb ich! Und jeden Abend wurde ich wiedergeboren! Feierte Wiederauferstehung…"
Naja, es stimmt schon, dass mich das Germanentum an sich auch interessiert. Außerdem hatte ich einfach eine Kreativphase und wusste mir nichts damit anzufangen, kein vernünftiges Thema zum Schreiben. Angefangen hat's eigentlich schon als einfach Irgendwas für unsere Schrumpfgermanen, aber iwie war ich ein bisschen Qualität dann meinem Stolz doch schuldig, und das hat sich dann iwie ausgeweitet...^^
Damit ich hier auch wieder mal etwas von mir beisteuere, poste ich zwei Gedichte, die ich schon vor längerer Zeit verfasst habe. Ich hoffe, dass sie Gefallen finden. Wolfi kennt sie ja schon. Eine (erneute) Analyse wäre trotzdem auch sehr erwünscht, da ich mich mittlerweile ja gedanklich von den Reimen distanziert habe.
Einst hast du das Glück besungen, Gefesselt von der Kraft der Macht, noch nie hattest du so gelacht. Die Freiheit schien so unbeschwert, auch dir war jetzt ihr Ruf erklungen und ließ dich nicht ganz unversehrt.
Nun scheinst du von Freud’ verlassen, Die Liebe macht der Leere Platz, fortan sei sie dein wahrer Schatz. Ein Schatz, der sich im Mondschein sonnt, Mag man dir die Hoffnung lassen, da wär’ kein Licht am Horizont.
Bald wirst du vom Leid betrogen, Die Dunkelheit hält dich gefangen, Ruhm und Stolz willst du verlangen. Für Taten, die dem Lichte weichen, Von jenen, die dich stets belogen und einer dunklen Sonne gleichen.
Nie soll dir dein Gott begegnen, Die Welt hat ihn noch nicht geseh’n, selbst du wirst achtlos weitergeh’n. Doch er wird deine Schmerzen spür’n, wird dich dann mit Strafe segnen und rasch in seine Heimat führ’n.
Der letzte Mensch
Müde, trostlos und allein, umhüllt von kargem, grauen Pelz, saß dieser Mann auf einem Stein. Dann sah er auf, sah nackten Fels, sah heißen Sand, sah schwarzes Land.
Die Kälte, die in seinen Knochen, hat Baum und Tier dahingerafft. Ganz leis’ spürt er sein Herz noch pochen, voll Neid, voll Gier, mit wenig Kraft.
Da hört er nun recht ferne Stimmen, und merkt, dass dort die Erde spricht. „Wie lang soll hier dein Dreck noch schwimmen? Ne zweite Erde hast du nicht.“
„Drum atme nun die kalte Pest, die früher reine Luft gewesen. Nicht ich hab’s kalt gemacht, und trist, Nicht ich bin jenes kranke Wesen.“
„Nicht ich hab dir den Sturm gesandt, Nicht ich hab stille Glut entbrannt, Nicht ich hab Gier und Not verkannt, Nicht ich hab die Vernunft verbannt.
Nicht ich hab mich an mir vergriffen, Nicht ich verwehr dir Sonnenlicht. Auch hast du eins noch nicht begriffen: Brauchst du auch mich, ich brauch dich nicht.“
Bald spürt es auch das jüngste Kind… dass wir nun letzte Menschen sind.
„Doch die Uhr, einst geschaffen, tickt nun unermüdlich und erbarmungslos.“
Zum ersten: Das Versmaß ist zwar schön durchgeführt, aber manchmal spießt es sich dennoch. Wüsste ich nicht, was der Hintergrund des Inhalts ist, wäre mein Eindruck natürlich anders. Zu Beginn habe ich ein ungutes Gefühl, das breitet sich aus, wird aber durch die letzte Zeile umgekehrt in etwas Positives. "Ruf der Freiheit" ist ein sehr schönes Bild, ebenso wie "im Mondschein sonnen", v.a. im Gegensatz zur "dunklen Sonne". Einzig stört mich das "nicht ganz unversehrt". Es wandelt sich erst in ein schönes Bild, wenn ich länger darüber nachdenke. Beim erstmaligen lesen klingt es jedoch etwas.. naiv? Vielleicht aufgrund der Verwendung von "ganz", was sehr umgangssprachlich ist.
Mir tut sich jetzt dir Frage auf, welcher Gott gemeint ist. Sehr spannende Sache!
Insgesamt muss man das Gedicht mind. 2 mal lesen, um es gänzlich zu erfassen. Was durchaus positiv ist. Stören tun mich die Langzeilen (die natürlich Absicht sind)- warum hast du sie ausgewählt?
Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten.- Karl Kraus
Danke erstmal, dass du dir die Arbeit angetan hast.
Zitat Das Versmaß ist zwar schön durchgeführt, aber manchmal spießt es sich dennoch.
Ja, ich weiß.
Zitat (...), auch dir war jetzt ihr Ruf erklungen und ließ dich nicht ganz unversehrt.
Hier is zB. eine Silbe zu viel, was sicher anfangs, wenn man mit dem Gedicht ned so vertraut is, schneller auffällt. Wolfi hat mich auch schon darauf aufmerksam gemacht, nur weiß ich ned recht, wie ich das ändern könnte.
Zitat Einzig stört mich das "nicht ganz unversehrt". Es wandelt sich erst in ein schönes Bild, wenn ich länger darüber nachdenke. Beim erstmaligen Lesen klingt es jedoch etwas.. naiv? Vielleicht aufgrund der Verwendung von "ganz", was sehr umgangssprachlich ist.
Verstehe. Ich denk drüber nach, da sich dieses "ganz" sicher nicht schwer wird austauschen lassen, evt. durch "recht"? Ich überleg mir das.
Zitat Stören tun mich die Langzeilen (die natürlich Absicht sind)- warum hast du sie ausgewählt?
Weils total in dieses Reimschema passt. Ich war dem ganzen AABB, ABBA,ABAB usw. überdrüssig und wollt mal ein Gedicht schreiben, an das anfangs weder Auge noch (inneres)Ohr gewöhnt is. Dann kam dieses ABBCAC raus. Wenn man das Gedicht nicht richtig liest, muss es sicher schrecklich klingen. Es braucht einfach, wie du selbst auch schon angemerkt hast, Zeit, um zu reifen. Die Langzeilen hab ich deswegen verwendet, da man diese zwei Verse in einem Zug lesen muss, sonst geht das gar ned.^^
„Doch die Uhr, einst geschaffen, tickt nun unermüdlich und erbarmungslos.“
Das war keine Arbeit, ich tu sowas gern. Und recht ausführlich ist es auch nicht, einfach weil ich sowas "beruflich" viel zu oft machen muss^^
Zitat Hier is zB. eine Silbe zu viel, was sicher anfangs, wenn man mit dem Gedicht ned so vertraut is, schneller auffällt. Wolfi hat mich auch schon darauf aufmerksam gemacht, nur weiß ich ned recht, wie ich das ändern könnte.
"auch war dir ihr Ruf erklungen"?
Das Reimschema find ich gut. Nur muss man sich dessen bewusst sein, sonst haut es nicht hin (aber darauf kann man als Schreiber getrost scheissen).
Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten.- Karl Kraus
Zitat Und recht ausführlich ist es auch nicht, einfach weil ich sowas "beruflich" viel zu oft machen muss^^
Okay.^^
Zitat "auch war dir ihr Ruf erklungen"?
Das wäre sicher eine Möglichkeit, aber irgendwie passt es mir inhaltlich ned in den Kram, leider. Die Betonung des "dir" geht dadurch verloren. Edit: Irgendwie fällt mir grad auf, dass es immer die drei Silben des "erklungen" sind, die stören. Wenn nach "-ung" Ruhe wär, hätts ned so nen langatmigen Touch, aber das geht leider ned.
„Doch die Uhr, einst geschaffen, tickt nun unermüdlich und erbarmungslos.“
Passt mir deswegen ned, weil im Gedicht die Satzstellung ansonsten völlig korrekt is und das dann ein stark erzwungenes Erscheinungsbild hätte. Allerdings könnte "dir war auch ihr Ruf erklungen" gehen, müsst ich erst prüfen. Dadurch verliert das "dir" natürlich ebenfalls an Wert, aber damit muss ich wohl leben.^^ Hm, klappt auch ned recht, wenn man bedenkt, wies dann weitergeht. Würde seltsam klingen. Man, über diese schei.. Zeile hab ich schon so viel nachgedacht, gibts gar ned. Iwann reißts mich her, ich lösch das Ding und schreib was ganz was Anderes.
„Doch die Uhr, einst geschaffen, tickt nun unermüdlich und erbarmungslos.“
Man muss sich wohl damit abfinden, manches völlig abzureißen. Ich würde gern die Rohfassungen von Baudelaire und co. kennen, aber der Rezipient hat am Ende ein schönes Gedicht- nur der Autor kennt dir Vorgeschichte. Und so soll es sein.
Bau es um!
Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten.- Karl Kraus
Wenn ich in der dafür notwendigen Stimmung bin, wird das sowieso früher oder später geschehen. Hemmingway sagte genauso: "Die erste Fassung ist immer Mist." Zumindest bei meinem Roman kann ich das vollends nachvollziehen. Den kannst du nicht im ersten Zug schreiben und gleichermaßen auf alle Aspekte Rücksicht nehmen, da muss erstmal die Grundfassung stehen.
„Doch die Uhr, einst geschaffen, tickt nun unermüdlich und erbarmungslos.“
Ich durfte neulich eine Arbeit zu Kafkas Schreibprozess korrektur-lesen. Seine "erste" Fassung war nie die Endfassung, aber er korrigierte mit hoher Geschwindigkeit. Er schrieb Nächte durch, manchmal war etwas innerhalb einer Nacht fertiggestellt (siehe "Das Urteil"). Aus seinen Quartheften kann man relativ gut auf seine Art zu korrigieren schließen. Er verwarf ganze Sätze, ganze Themen, nur weil ihm durch das Schreiben etwas anderes interessanter erschien. Er baute ganze Satzblöcke in andere Geschichten ein oder lies Geschichten nach wenigen Zeilen sterben.
wunderschön.
Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten.- Karl Kraus
Ich denke, dieser Mut zur Zerstörung und neuen Errichtung is schneller vorhanden, wenn man mehr für sich selbst, als für andere Menschen schreibt, so wies bei mir auch der Fall is. Kafka wollte ja, dass ein Großteil seiner Werke nach seinem Tod vernichtet wird und übertrug einem Nahestehenden die Vollmacht dafür. Der hat seinem Wunsch, wie wir wissen, nicht wirklich Folge geleistet.
„Doch die Uhr, einst geschaffen, tickt nun unermüdlich und erbarmungslos.“
Die Abschlussbemerkung hat genau das beinhaltet. Kafka wer es ziemlich egal, was andere von seinen Texten hielten, weil er für sich selbst schrieb. Ich versuche das eigentlich auch.
Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten.- Karl Kraus
Ich schreibe weitgehend für mich selbst, außer bei Lyrik eigentlich, da versuche ich es schon auch immer aus den Augen eines Fremden zu sehen. Was ich immer hasse, wenn sich irgendwo alles an einem Wort aufhängt... Wenn ich ne Viertel-, halbe Stunde rumsuch, um da das richtige Wort zu finden, das mir iwie auf der Zunge liegt, oder von dem ich zumindest die Grundbedingungen kenne, zumindest auf emotionaler Basis, und dennoch finde ich es nicht. Da hab ich auch schon mal einfach 200+ Seiten Wörterbuch gewälzt um sowas zu finden...^^
"Überzeugungen sind gefährlichere Feinde der Wahrheit als Lügen." -Friedrich Nietzsche