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Dieses Thema hat 20 Antworten
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 Philosophie
Seiten 1 | 2
Hitti Offline

Theophor


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01.05.2009 20:22
Wahrheit und Erkenntnis Antworten
Ich versuche mal wieder, das Philosophie-Unterforum mit einem ziemlich kontroversen Thema zu beleben.

Die Möglichkeiten unserer Erkenntnis von der Umwelt sind eingeschränkter als viele Menschen denken. Vieles nehmen wir nur äußerst subjektiv wahr, außerdem sind die Beobachtungen unsere Sinnesorgane getrübt durch (zb. optische) Täuschungen und andere Fehler, wie sie auch durch Krankheiten hervorgerufen werden. Daraus resultieren zwei Fragen: Gibt es eine objektive Wahrheit? Gibt es eine Welt, die unabhängig von jedem Bewusstsein existiert und daher nicht von einem Lebewesen konstruiert wurde?

Die letzte Frage kann ziemlich seltsam anmuten, allerdings müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass wir nicht objektiv wahrnehmen können. Jeder Beobachtung wird vom Subjekt eine eigene Bedeutung zugesprochen, abhängig von Physis und Psyche besagter Person. Dies passiert schon im Moment der Beobachtung selbst, wodurch es unmöglich ist, ein ungetrübtes und objektives Bild zu erhalten.

Als Antwort auf diese fundamentale Frage der Philosophie haben sich mehrere Thesenkomplexe herauskristallisiert. Der Skeptizismus bezweifelt grundsätzlich auch nur die Möglichkeit der "wahren" Erkenntnis. Ein Skeptiker würde in etwa so argumentieren, wie ich es eben getan habe. Dann gibt es den Realismus, der auf die Sinneswahrnehmungen des Menschen vertraut und anhand der Naturwissenschaft überprüfen will, inwiefern man ihr trauen kann. Außerdem gibt es noch den Idealismus, dessen Vertreter alle Dinge in der Welt nur als Abbild von Ideen betrachten.
Die beiden Letzteren kann man grob dem Rationalismus und Empirismus unterordnen. Der Rationalismus besagt, dass die einzige Quelle für Erkenntnis die Vernunft sein wird. Er vertraut auf Ideen "a priori", welche man schon vor der Geburt besessen hat und wodurch dieses Wissen schon immer im Menschen selbst verborgen war. Erkenntnis durch Sinnesorgane sei dadurch unnötig und nicht ertragreich.
Der Empirist vertraut in dieser Hinsicht auf Erfahrungen und Sinneswahrnehmungen. Kant übrigens hat in seinem Hauptwerk versucht, die beiden Richtungen miteinander zu verbinden, aber ich denke, dass das bekannt sein wird.

Wo seht ihr euch am ehesten? Rationalismus oder Empirismus, und ferner: Idealismus oder Realismus. Oder seid ihr völlige Skeptiker?

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Nicht Sieg sollte der Sinn einer Diskussion sein, sondern Gewinn. - Joseph Joubert

Gray Offline

Theophor


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01.05.2009 21:47
#2 RE: Wahrheit und Erkenntnis Antworten

Ich habe mich mit dieser Thematik lange Zeit beschäftigt und bin dabei schließlich auf einen Punkt gekommen.


Begonnen hab ich mit folgender Überlegung: In rational definierbaren Gegenständen KANN es NIE eine Wahrheit geben. Egal, welches Faktum du hernimmst, du wirst IMMER jemanden finden, der das anders sieht. Du kannst NICHTS 100% beweisen und du kannst für ALLES mindestens zwei Standpunkte finden. Aus.

Jetzt wollt ich aber ned davon runtergehen, dass es eine wahrhaftige Wahrheit geben muss - sonst wär mir langweilig. Ich will ned so ein fader Trödler wie die von dir genannten Skeptizisten sein.
Ich bin schließlich auf den Punkt gekommen, dass die einzige Wahrheit in der Wahrnehmung von Ästhetik liegt.

Dazu möchte ich zuerst Ästhetik definieren: Für mich hat dieser Begriff nicht unbedingt etwas mit Schönheit zu tun. Als Ästhetik sehe ich all die Komplexe an, die nach dem Betrachten von etwas in uns zurückbleiben. Diese Komplexe sind dabei nicht beschreibbar. Man könnte sie theoretisch mit sinnlichen Wahrnehmungen (Bildern, Klängen, Gerüchen) vergleichen, doch wär das weit an der Wahrheit vorbei, schließlich rufen wir sie rein in unserem Gehirn ab, und unser Gehirn hat keine Sinnesorgane, die Wahrnehmungen produzieren können. Das, was wir wahrnehmen, wenn wir diese Ästhetik abrufen, diese Komplexe - das ist Wahrheit.

Warum?
Diese Bilder können durch nichts in ihrer Aufnahme verfremdet werden. Sie werden rein von unserem Gehirn produziert und rein von unserem Gehirn wahrgenommen. Da ist nichts dazwischen. Natürlich können sie verändert werden, durch neue Information, die wir von außen bekommen, die unser Wissen verändern und unsere Sichtweise von Dingen. Aber das ändert die Wahrheit nicht in diesem Sinne, da diese Wahrheit keine Form hat. Um diese A zu verstehen, muss man über die Grenzen der bürgerlichen, "normalen" Philosophie hinausgehen.

Weiters: Eines dieser Komplexe kann jeweils nur von EINER Person (i.e. einem Gehirn) wahrgenommen werden, so gebieten es die Grundgesetze unserer Welt. Dadurch fällt der Punkt mit "jeder sieht es anders" weg.


Diese Sichtweise hat mich schließlich zu meiner neuen Lebensphilosophie, dem ästhetischen Nihilismus, gebracht.



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Hitti Offline

Theophor


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01.05.2009 22:27
#3 RE: Wahrheit und Erkenntnis Antworten

In Antwort auf:
"Als Ästhetik sehe ich all die Komplexe an, die nach dem Betrachten von etwas in uns zurückbleiben."

Sind diese Komplexe dann nicht erst durch die Wahrnehmung entstanden? Wenn ich zum Beispiel an den Eiffelturm denke, dann wären doch alle Bilder und Gedanken, welche mir durch den Kopf schießen, diesen Komplexen entsprechend. Allerdings resultieren jene doch nur aus meiner subjektiven Wahrnehmung von Bildern, die ich vom Eiffelturm gesehen habe.
Unser Gehirn hat natürlich keine Sinnesorgane, allerdings bleibt der subjektive Beigeschmack trotzdem erhalten, weil alle Gedanken auf Wahrnehmungen und Beobachtungen zurückzuführen sind. Gerade der Punkt, dass jeder nach und nach seine eigene "Ästhetik" im Gehirn aufbaut, kann doch zu keiner Objektivität führen. Subjektive Wahrheit entsteht dadurch selbstverständlich. Jetzt stellt sich die Frage, nach welcher Wahrheit man hierbei sucht.

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Gray Offline

Theophor


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01.05.2009 22:41
#4 RE: Wahrheit und Erkenntnis Antworten

Richtig.
Der Eiffelturm als solches ist nicht und niemals "wahr", aus schon genannten Gründen.
Wenn ich mich mit dem Eiffelturm beschäftige, mit seinem Aufbau, seinem Aussehen, anderen Informationen über ihn ... hinterlässt diese Beschäftigung einen Komplex aus Informationen in meinem Gehirn. Natürlich laufen diese Informationen durch die "Filter" unserer Wahrnehmung, aber das ist völlig irrelevant.

Dieser Komplex hat nämlich eigentlich nichts mehr mit dem wahren Eiffelturm zu tun - nichts, außer die Bezeichnung.
Jedoch wird im Kopf des Sich-Beschäftigenden ein Bild von etwas geschaffen. Dieses etwas verbindet er vielleicht mit dem Begriff "Eiffelturm", aber in Wirklichkeit ist es nur ein gedanklicher Komplex - etwas, das in seiner Beschaffenheit über jede rationale Beschreibbarkeit hinausgeht.
Jedenfalls wird dieser Komplex nur von einer einzigen Person wahrgenommen ... jede andere Person hat einen anderen "Komplex", weil sie den Eiffelturm anders sieht. Das ist, als würdest du 1000 verschiedene Bilder malen, die alle "Eiffelturm" heißen - und alle anders aussehen.

Diese Komplexe sind reine Wahrheit, da sie alle nur für eine einzelne Person existieren und somit nur von EINER EINZIGEN Sichtweise gesehen werden können.



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Hitti Offline

Theophor


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01.05.2009 23:00
#5 RE: Wahrheit und Erkenntnis Antworten

Aber diese reine Wahrheit ist nur subjektiv, weil sie nur für eine Person existiert und durch das Gehirn dieser Person überhaupt erst so zustande kam. Wenn man den Wahrheitsbegriff so definiert, klappt diese Ästhetiktheorie eigentlich recht gut.

Ich sehe mich auf der empiristischen und realistischen Seite. Ich glaube, dass die Objekte unabhängig von unserem Bewusstsein existieren, also auch daran, dass es eine objektive Wahrheit gibt. Kein Lebewesen allerdings wird diese Wahrheit jemals betrachten können, denn aus bereits genannten Gründen kann das nur unmöglich sein. Es muss überprüft werden, wie sehr sich unsere Wahrnehmung von der absolut objektiven Erkenntnis unterscheidet. Wie soll das möglich sein, wenn keiner diese Erkenntnis kennt? Man prüft die Wahrnehmungen ganz einfach auf ihre Funktionalität, genau wie man in der Naturwissenschaft eine Hypothese zu widerlegen versuchen muss.

Die ganz alltäglichen Wahrnehmungen und die dabei entstehenden subjektiven Wahrheiten sind von der "Urform" des beobachteten Gegenstandes aber meiner Ansicht nach nicht so weit weg, wie man durch viele erkenntnistheoretische Strömungen glauben könnte. Ich würde sogar sagen, dass wir die Welt im Groben genau so wahrnehmen, wie sie in ihrem bewusstseinsunabhängigen Zustand ist. Bei einigen Erlebnissen allerdings unterscheiden sich die "Qualiaempfindungen" (z.B.: Schmecken, Riechen) verschiedener Lebewesen äußerst stark. Auf jeden Fall aber reichen die Vorrichtungen des Körpers und die Beschaffenheit der Sinnesorgane aus, um in der Umwelt überleben zu können. Vorteile in dieser Hinsicht haben aber natürlich deutliche Auswirkungen.

Folglich denke ich, dass es eine Wahrheit gibt. Allerdings können wir uns ihr nur annähern, und solange eine subjektive Wahrheit funktioniert, muss versucht werden, diese durch eine verbesserte Version auszutauschen.

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stahlwollvieh Offline

Emofaggot


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02.05.2009 20:14
#6 RE: Wahrheit und Erkenntnis Antworten
Ich bin vor ein paar Monaten draufgekommen, dass es eine philosophische Strömung gibt, die meiner Einstellung recht nahe kommt: Konstruktivismus.
Der Konstruktivismus stellt jegliche Existenz von objektivem Wissen in Frage, v.a. der "Radikale Konstruktivismus".
Jede Wirklichkeitsvorstellung wird nur im Kopf aufgebaut, ist damit immer subjektiv; wie dieses Bild aussieht, ist kaum von Relevanz, solange es in der Ausführung funktioniert, wodurch sich der "Wert" des Weltbildes definiert; dafür gibt es auch einen eigenen Begriff: Viabilität. Je besser ein Weltbild funktioniert, desto "viabler" ist es.
Dies lässt natürlich Spielraum für viele verschiedene subjektive Wirklichkeiten.
Hier ein Gleichnis, welches das recht gut widerspiegelt (von http://www.humboldtgesellschaft.de/inhal...onstruktivismus):
"Die Lage jedes Menschen beim Versuch, Wissen zu erlangen, ist der Situation eines Kapitäns vergleichbar, der in dunkler, stürmischer Nacht - von einer bestimmten Stelle aus - eine Meerenge durchsteuern muß, deren Beschaffenheit er nicht kennt, für die keine Seekarte besteht und die keine Leuchtfeuer oder andere Navigationshilfen besitzt. Er wird entweder scheitern oder jenseits der Meerenge wohlbehalten das sichere, offene Meer erreichen. Läuft er auf eine Klippe auf und verliert Schiff und Leben, so beweist sein Scheitern, daß der von ihm gewählte Kurs nicht der richtige für die Meerenge war. Er hat sozusagen "erfahren", wie die Durchfahrt "nicht" ist. Kommt er dagegen heil durch die Enge, lehrt ihn sein Erfolg nichts über die wahre Beschaffenheit der Meerenge, nichts darüber, wie nahe er der Katastrophe vielleicht war. Sein Kurs paßte in die ihm unbekannte Gegebenheit."

Weiters gibt es eine Einteilung des Wissens in so genanntes Wissen 1. und 2. Ordnung:
- Wissen 1. Ordnung sind zB die für alle Menschen unter gleichen Bedingungen jederzeit nachvollziehbaren Eigenschaften eines Objekts (zB die physikalischen und chemischen Eigenschaften von Gold - sie sind bekannt, reproduzierbar und allgemein anerkannt)
- Wissen 2. Ordnung sind die vom einzelnen Menschen zugeordneten Assoziationen, wie zB der materielle oder auch der persönliche Wert des Goldes.

Wahrheit ist also immer subjektiv, und vollständige Erkenntnis kann niemals erlangt werden (so wie der Kapitän nicht jeden irgend möglichen Kurs durch die Meerenge ausprobieren kann - was die einzige Möglichkeit wäre, ihre wahre Beschaffenheit vollständig zu erkennen); diese ist jedoch auch nicht notwendig, alles, was man braucht, um sein Leben führen zu können, ist ein Weltbild, das "viabel" genug ist.

Ach ja, was Kant, Rationalimus und Idealismus betrifft: Die Idee von Ideen, die bereits in jedem von uns von Beginn an existent sind, finde ich ziemlich dämlich. Und noch schlimmer ist die Einteilung Kants von wegen "analytische/synthetische Urteile a priori/a posteriori". Ich seh bis heute noch nicht ein, was das bringen soll, in meinen Augen ist das ein unglaublicher Schwachsinn.


Christianity: The belief that some cosmic Jewish zombie can make you live forever if you symbolically eat his flesh and telepathically tell him that you accept him as your master, so he can remove an evil force from your soul that is present in humanity because a rib-woman was convinced by a talking snake to eat from a magical tree.
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Hitti Offline

Theophor


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03.05.2009 12:23
#7 RE: Wahrheit und Erkenntnis Antworten
In Antwort auf:
"Wahrheit ist also immer subjektiv, und vollständige Erkenntnis kann niemals erlangt werden (so wie der Kapitän nicht jeden irgend möglichen Kurs durch die Meerenge ausprobieren kann - was die einzige Möglichkeit wäre, ihre wahre Beschaffenheit vollständig zu erkennen);"

Naja, auch wenn der Kapitän die genaue Lokation der Meeresenge nicht vollständig aufklären wird können; Es gibt sie. Insofern halte ich das Gleichnis für ziemlich gelungen, weil es irgendwie auch meine Theorie unterstützt. Objektive Wahrheit kann niemals erreicht werden, der Wert subjektiver Wahrheiten richtet sich nach deren Funktionalität.

In Antwort auf:
"Die Idee von Ideen, die bereits in jedem von uns von Beginn an existent sind, finde ich ziemlich dämlich."

Bist du in der Hinsicht auch eher auf der empiristischen Seite oder? Ich denke auch nicht, dass derartige Ideen vorhanden sein werden, weil grundsätzliche alle Gedanken, Ideen und Träume aus weltlichen Dingen bestehen, oder aus mehreren zusammengesetzt wurden. Seh mich da also bei der Theorie von Locke bezüglich einfacher, komplexer und abstrakter Ideen.

In Antwort auf:
"Und noch schlimmer ist die Einteilung Kants von wegen "analytische/synthetische Urteile a priori/a posteriori". Ich seh bis heute noch nicht ein, was das bringen soll, in meinen Augen ist das ein unglaublicher Schwachsinn."

Für mich haben diese Urteile irgendwie etwas Logisches, wodurch ich ihnen grundsätzlich nicht abgeneigt bin. "Was es bringen soll", weiß ich leider auch net. Vielleicht wars ein Versuch Kants, alle Urteile in Gruppen einzuteilen und damit Übersicht zu schaffen.

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stahlwollvieh Offline

Emofaggot


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03.05.2009 20:43
#8 RE: Wahrheit und Erkenntnis Antworten
In Antwort auf:
Bist du in der Hinsicht auch eher auf der empiristischen Seite oder?

Eindeutig. Es gibt zwar so eine Art "Ideen", aber die sind nichts anderes als empirisch gesammelte Assoziationen (die an anderer Stelle bereits diskutierten "metaphysischen/emotionalen ästhetischen Wahrnehmungen) zu Objekten, keineswegs von irgendwo vorgegeben, daher find ich "a priori" schon mal ziemlich sinnlos.
In Antwort auf:
Seh mich da also bei der Theorie von Locke bezüglich einfacher, komplexer und abstrakter Ideen.


Hab mich noch nicht näher mit Locke beschäftigt, was meinst du genau?
In Antwort auf:
Für mich haben diese Urteile irgendwie etwas Logisches, wodurch ich ihnen grundsätzlich nicht abgeneigt bin.

Warum? Meine Meinung zu "a priori" hab ich ja schon mehrmals deutlich gemacht. Und was hab ich bitte von analytischen Urteilen? Beispiel: "Junggesellen sind unverheiratete Männer."
Nett. Und was tu ich jetzt damit? Das ist doch nichts anderes als eine Definition, und die ist auch von Menschen festgelegt, und damit a posteriori, oder? Weiters enthält diese Aussage trotzdem "nützliche" Information - davon ausgehend, dass es auch Menschen gibt, die nicht über dieses Wissen verfügen. Obwohl doch angeblich analytische Urteile für die Wissenschaft oder was auch immer uninteressant sind, weil sie keine neuen Informationen enthalten. Damit wären sämtliche Begriffsdefinitionen hinfällig und uninteressant. Und was tun wir dann weiter?
Hoffe, dass das halbwegs verständlich war, bin grad ein wenig konfus und außerdem kann ichs grad nicht mehr so gut wiedergeben wie irgendwann mal weils schon ne Weile her ist, dass ich mich damit auseinandergesetzt habe.
Die Logik seh ich trotzdem nicht.


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Hitti Offline

Theophor


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03.05.2009 22:43
#9 RE: Wahrheit und Erkenntnis Antworten
In Antwort auf:
"Hab mich noch nicht näher mit Locke beschäftigt, was meinst du genau?"

Bei einfach Ideen handelt es sich um Gedanken, die sich mit Erfahrenem beschäftigen und dabei nicht assoziieren. Beispielsweise ein Gedanke an ein Pferd, welcher ja unmöglich wäre, wenn man ein Pferd noch niemals gesehen hätte.
Komplexe Ideen hingegen setzen sich aus mehreren einfachen Ideen zusammen. Beispielsweise assoziiert jemand, der an Pegasus denkt, die Idee des Vogels mit der Idee des Pferdes. Dafür ist es notwendig, dass besagte Person die beiden einfachen Ideen durch Erfahrung gesammelt hat.
Abstrakte Ideen sind Verknüpfungen mehrerer verschiedener Ideen durch den Verstand, die zum Aufstellen von Behauptungen essentiell sind. Beispielsweise verknüpft jemand drei gerade Linien und formt damit ein Objekt mit drei Ecken und drei Seiten. Das Dreieck wäre in diesem Fall eine abstrakte Idee. (Für uns allerdings ist es natürlich eine einfache Idee, weil wir das Dreieck gleich als solches Ganzes kennengelernt haben.)


In Antwort auf:
"Und was hab ich bitte von analytischen Urteilen? Beispiel: "Junggesellen sind unverheiratete Männer.""

Klar, eine analytische Aussage posteriori (von empiristischem Standpunkt aus gesehen), wie "2+2=4". Ein analytisches Urteil entspricht (wenn man es in Worten verfasst) meist einer Tautologie, darin liegt für mich die Logik. Davon habe ich nichts, es dient lediglich der Übersichtlichkeit und der Abtrennung von den zusammengesetzten, synthetischen Urteilen, welche nicht an eine posteriori festgelegte Definition angelehnt sind.

Aja, übrigens definiert Kant "a priori" im Bezug auf diese Urteile über die allgemeine Gültigkeit. Weil 2+2=4 allgemein gültig ist, genauso wie "Alle Kugeln sind rund.", sind dies laut Kant analytische Urteile a priori. Da kann man echt ein bisschen durcheinander kommen, weil das von vielen Philosophen so extrem unterschiedlich ausgelegt wird.
Also:
Empiristen: Erkenntnis ist nur posteriori durch Erfahrung möglich.
Rationalisten: Erkenntnis ist nur a priori möglich und von Erfahrung unabhängig.
Kant: Wirft den ganzen Blödsinn übern Haufen und definiert alles neu, wobei er die Unterscheidung analytischer und synthetischer Urteile braucht.

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stahlwollvieh Offline

Emofaggot


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04.05.2009 11:44
#10 RE: Wahrheit und Erkenntnis Antworten

Ok, grundsätzlich finde ich die Einteilung Locke's nicht falsch, aber starkt vereinfacht und eigentlich überflüssig.
Stark vereinfacht v.a. deswegen, weil man an alles, was man einmal "erfahren" hat, automatisch Assoziationen knüpft, womit bei strengerer Betrachtung eigentlich die "einfachen" Ideen auch schon als komplexe Ideen durchgingen. Zustimmen kann ich insofern, dass die vorherige Sammlung der Erfahrungen zur Verknüpfung dieser notwendig ist.
Aber warum muss ich überhaupt alles auf so vereinfachte "Grundideen" zurückführen? Und wo höre ich da bei der Spezifikation auf?
Beispiel: Materie - belebte Materie - Tier - Säuger - Paarhufer - Pferd - Haflinger - Haflingerstute - ...
Das kannst du ewig so weiterführen (auch wenns dann langsam komplizierter würde, aber dann müsstest du halt so Merkmale wie zB die Anzahl der Haare hernehmen); wo hörst du dann auf? Wo ist "die Idee"?

Hab grad keinen Zeit mehr, muss Mittagessen gehen, schreib dir meine Antwort bez. Kant dann nachher.


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stahlwollvieh Offline

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04.05.2009 12:26
#11 RE: Wahrheit und Erkenntnis Antworten

Ein analytisches Urteil entspricht, so weit ich das verstanden habe, nicht nur meist einer Tautologie, sondern einer Definiton in der einen oder anderen Form. Und ist damit eigentlich nicht "uninteressant", wie uns das in PuP gesagt wurde. Was wären wir ohne Definitionen? Darauf bauen wir doch schließlich unser Leben auf, nicht mal Sprache als solche wäre ohne vorher festgelegte, allgemein akzeptierte Definitionen unmöglich.
Bei der "allgemeinen Gültigkeit" müssten wir wieder mal davon ausgehen, dass es eine erkennbare objektive Wirklichkeit gibt... ich würd mal sagen, das können wir hier mal mit der oben erläuterten "Wirklichkeit 1. Ordnung" gleichsetzen.
Aber dann erklär mir mal bitte, warum Kant diese Trennung in analytische/synthetische Urteile a priori/a posteriori braucht; tut mir leid, aber wie gesagt ist es schon ne Weile her, dass ich mich damit auseinandergesetzt habe und ich hab glaub ich doch vieles vergessen, erklär's mir bitte noch mal in aller Kürze dann haben wir ne gemeinsame Diskussionsbasis, das machts leichter.


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Hitti Offline

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04.05.2009 14:23
#12 RE: Wahrheit und Erkenntnis Antworten
Bezüglich Locke gebe ich dir völlig Recht. Trotzdem halte ich die Idee dieser Ideen, die ja als Argumente gegen den Rationalismus dienten, grundsätzlich nicht für schlecht. Die Trennung der einzelnen Ideenbereiche fällt zwar schwer (was auch an den Abstrakten deutlich wird), aber die Grundzüge dieser Theorie sind für einen Empiristen auf jeden Fall gut nachvollziehbar.

In Antwort auf:
"Aber dann erklär mir mal bitte, warum Kant diese Trennung in analytische/synthetische Urteile a priori/a posteriori braucht."

Weil Kant beweisen wollte, dass nicht nur analytische Urteile a priori sein können und damit allgemeine Gültigkeit haben, sondern auch zusammengesetzte Urteile. Ein Urteil ist ja nichts anderes als der Ausdruck einer Erkenntnis. Analytische Urteile bringen durch die gleiche Bedeutung des Subjekts und des Prädikats eine gewisse Notwendigkeit und die bereits erwähnte allgemeine Gültigkeit mit sich. "Eine Kugel ist rund."; dieser Satz hat allgemeine Gültigkeit, die darin enthaltene Erkenntnis entstammt nicht der Erfahrung. Also a priori.
Die meisten synthetischen Urteile, also jene, in denen Subjekt und Prädikat nicht die gleiche Bedeutung besitzen, sind Urteile posteriori. "Heute ist ein schönes Wetter." oder "Dieser Apfel ist sehr klein." sind Beispiel dafür.
Kant wollte beweisen, dass es zusammengesetzte Urteile a priori gibt. In unserem PuP Lehrbuch steht als Beispiel dafür der Satz: "Jede Veränderung hat eine Ursache." Dieses Urteil ist synthetisch und hat gleichzeitig allgemeine Notwendigkeit. Er ist nicht von Erfahrung abhängig sondern entspringt der Vernunft. A priori.

Kant brauchte diese Urteile aufgrund seines Bestrebens, Empirismus und Rationalismus zu verbinden. Mit seinen Urteilen, die nichts anderes als Erkenntnisinformation ausdrücken, zeigt er seiner Meinung nach deutlich, dass sowohl a priori als auch posteriori notwendig ist. (Wenn man a priori als Notwendigkeit interpretiert.)

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stahlwollvieh Offline

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04.05.2009 15:46
#13 RE: Wahrheit und Erkenntnis Antworten

In Antwort auf:
"Jede Veränderung hat eine Ursache."

Dies ist doch trotzdem eine Tatsachen, die ich nur aufgrund meiner Erfahrung bestätigen kann. Ich kann das nicht einfach ein Baby, das grade auf die Welt gekommen ist, und von der Welt keinen Ahnung hat, schlussfolgern lassen, selbst wenn man mal die notwendige Denk- und Ausdrucksfähigkeit vorraussetzt.
Es baut einfach auf einfachen, erfahrenen Kausalketten auf, muss aber nicht notwendigerweise so sein, und das kannst du auf so ziemlich alle anderen so genannten "Urteile a priori" genauso anwenden, auch wenn du mir hier ein besonders schönes Beispiel geliefert hast.
Damit ist für mich der Begriff "a priori" hinfällig und wertlos.


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Hitti Offline

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04.05.2009 18:32
#14 RE: Wahrheit und Erkenntnis Antworten

In Antwort auf:
"Damit ist für mich der Begriff "a priori" hinfällig und wertlos."

Ja, für mich wie schon erwähnt genau so. Ich habe damit Kants Position erläutert, der beispielsweise die "Idee des Raumes" auch als a priori ansieht, weil sie in jedem Menschen notwendigerweise im Vorhinein vorhanden sein muss, um im Raum leben zu können.
Für mich sind Ursache und Wirkung ebenfalls durch eine Assoziation enstanden, welche man aufgrund von Erfahrungen folgert. Damit wären wir bei Humes Kausalitätsproblem bzw. bei Poppers Induktionsproblem. Keine Ahnung, ob du die beiden Typen kennst!?

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stahlwollvieh Offline

Emofaggot


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05.05.2009 09:54
#15 RE: Wahrheit und Erkenntnis Antworten

In Antwort auf:
Damit wären wir bei Humes Kausalitätsproblem bzw. bei Poppers Induktionsproblem. Keine Ahnung, ob du die beiden Typen kennst!?

Ich kenne beide und weiß über keinen viehl.
Popper hat doch gemeint, die Wissenschaft sollte nicht ständig verifizieren, sondern sich eher darauf konzentrieren, zu falsifizieren, oder?
Außerdem ist in "Wie wirklich ist die Wirklichkeit" von Watzlawick ein ganz nettes Paradoxon von ihm drin. Nichts großartiges zwar, aber ganz witzig.
Hume... ich hab das Gefühl, was über ihn wissen zu sollen. Hilf mir mal eben auf die Sprünge, irgendwas war da...
Ich könnts natürlich nachschauen, aber du erklärst eh so gern. :P
Dann haben die anderen außerdem auch was davon.


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